KULTURPREIS 2023 DER GEMEINDE AGARN AN
DR. ALOIS GRICHTING

Überreicht am 14.Januar 2024 in der Mehrzweckhalle der Gemeinde in Agarn / VS

LAUDATIO von alt Landeshauptmann und Nationalrat Herbert Dirren, Agarn

«Geist und Kunst, auf ihrem höchsten Gipfel, muten alle Menschen an»

(Goethe: «Begeisterung»)

Als ich den Auftrag zur Laudatio auf den heutigen Kulturpreisträger erhielt, fühlte ich mich geehrt und glaubte dem damaligen Tafelmajor beim Empfang des Landeshauptmannes etwas zurückgeben zu können. Ich dachte mir: Man darf aus einer überreichen Ernte Dinge aussuchen, an die man sich erinnern will. Gerade das wurde schwierig – so viel Geschaffenes in einen kurzen Zeitraster zu drücken. Elektroingenieur & Dr. rer. pol. Alois Grichting – Kulturpreisträger: Cher Alois, caro Alois, dear Alois, carissimo Alois, agapité Alois, querido Alois – liäba Wisi ! Diese Begrüssungsworte widerspiegeln nicht die anwesende Gästeschar, sondern deine vielen Sprachkenntnisse in Lateinisch, Griechisch, Französisch, Italienisch, Englisch, Spanisch und in deiner Muttersprache. Obwohl ich viele deiner Kolumnen, Kommentare und Berichterstattungen gelesen habe, beschränke ich mich auf einen Bruchteil (Herr Mathematik-Professor) deines immensen Schaffens. Ich begnüge mich mit einigen wenigen Fakten dieses Lebens – deines Wirkens in:
Familie und bei Freunden,  
Ausbildung und Beruf,
Nebenschauplätzen,die vielleicht manchen und besonders jungen Agarnern und Agarnerinnen nicht mehr so präsent sind. Du wurdest am 25. Mai 1933 als ältestes Kind des Ehepaares Emil und Agnes Grichting-Hagnauer im Länggässi geboren. Zusammen mit deinen 10 Geschwistern erlebtest du eine glückliche, unbeschwerte frohe Jugend. Dein Vater bleibt mir als Militärtambour mit einer begabten Stimme und dem oft gesungenen Lied «Am Tegernsee» in Erinnerung: «Wollt ihr mir noch etwas schenken, schenkt nur euer Angedenken». Deine Mutter Agnes erlebte ich eher als die offene, umsichtige Managerin und Buchhalterin und als ruhenden Pol in der Familie. Wenn ich «Stellaria media» sage, weiss nur Alois, dass es eine lebensrettende Pflanze ist, die auf Geheiss von Ida Lötscher-Schmidt als «Hiänärdaarutee» dem jungen Alois -- der von Dr. Bayard bereits aufgegeben war – das Leben rettete.  1962 heiratete er sicherheitshalber eine Krankenschwester Marie Michlig aus Ried-Brig. Sie nahmen 1964 Wohnsitz in Glis (auch eine Zeit ohne Sonne) und ferienhalber in Blatten und im Gantergrund, sowie zeitweise in Mallorca (nicht wegen dem Ballermann). Marie schenkte ihm 2 Kinder, Nicolas Philipp und Thomas Johannes. Sie war eine treue und verständnisvolle Ehefrau und Mutter und hielt dem eher wie ein Perpetuum Mobile (gibt mehr Energie ab, als man ihm zuführt) funktionierenden Gatten und Vater den Rücken frei. Aber auch schwere Stunden blieben dem heute Geehrten nicht erspart. Er verlor seinen Sohn Philipp und leider hat auch seine Gattin Marie den Gang ins Gottesreich angetreten. Eine harte Zeit für Alois und die Familie, die es zu überbrücken galt. Dank Gotteskraft hat ihn der Mut in diesen Schicksalsstunden nicht verlassen. Im tiefen Glauben schöpfte er Kraft und begann wieder sich mit Literatur und Musik zu beschäftigen.
Goethe : «Der du von dem Himmel bist, alles Leid und Schmerzen stillest,
                Den, der doppelt elend ist, doppelt mit Erquickung füllest».
Er nahm sich zu Herzen, dass Leben ein ständiges Pendel ist zwischen Freud und Leid, zwischen Sieg und der Niederlage, zum Überfluss oder zur Entbehrung. Da war aber auch noch Raum für seine Freunde. Die wenigsten vermuten in Alois Grichting einen aktiven Berggänger. Die Bergtouren mit seinen Freunden forderten von ihm viel Kraft. Die starke Willensleistung trieb ihn immer wieder auf Bergspitzen, die er bei Ankunft am Gipfelkreuz jeweils mit treffenden Zitaten zu kommentieren wusste, so z. B.:   
               «Weit, hoch, herrlich der Blick,
               Rings ins Leben hinein;
               Vom Gebirg zum Gebirge,
               Schwebt der ewige Geist,
               Ewigen Lebens ahndevoll»
Oder:                  
               «Ab dem, rascher hinab!
               Sieh, die Sonne sinkt!
               Eh sie sinkt, eh mich Greisen
               Ergreift im Moore der Nebelduft».
(Goethe: «An Schwager Kronos»}
Was Schlesinger Jr. über John F. Kennedy schrieb, gilt wohl auch für unseren Geehrten:  «Vor allem fiel auf, dass er hochgradig intelligent war, und zwar in einer direkten, frischen und unkonventionellen Art. Er hatte einen ausnehmend starken Wissensdrang und ein ungewöhnliches Einfühlungsvermögen».
Ende Zitat. Dieses intelligente Büblein wurde damals von Lehrer Johann Kalbermatter, Lehrer Albert Matter und vor allem von Pfarrer Xaver Noti gefördert. Pfarrer Noti erhoffte sich ein Nachwuchstalent im Priestertum mit Bischofs- und Kardinalsvoraussetzungen. So besuchte Alois das damals klassische humanistische Gymnasium mit Latein und Griechisch am Kollegium in Brig: Eine Ausbildung, die ihn zeitlebens geprägt hat.
Neben seinen ausgezeichneten schulischen Leistungen verfasste er schon damals immer wieder kleine Artikel. Besonders bekannt und am Kollegium hart am Rauswurf vorbei wurde er unter dem Pseudonym «Pyracmon» (Feuerteufel): In Anlehnung an Goethes «Faust» (Kampf um Gut + Bös) lieferte er sich eine Schreibschlacht mit ergrauten Professoren und deren Methoden.
Nach dem äusserst erfolgreichen Maturaabschluss entschied er sich zum Leidwesen seiner Förderer Pfarrer Xaver Noti, Professor Albert Carlen, Vetter Anton Clavioz etc. nicht für das Zölibat und das Theologiestudium. Sein Ziel waren die exakten Wissenschaften an der ETH in Zürich. Als wissenshungriger Student begründete er diesen Entscheid wie folgt: «In der Mathematik habe ich im Maturaabschluss als einzigem Fach keine Maximalnote erreicht – da kann ich mich noch verbessern». 1960 schloss er das Studium als Elektroingenieur glänzend ab. Seine Diplomarbeit «Der Teinograph, ein Hochspannungsmessgerät» befasste sich mit der Blitzentstehung und ist heute noch sehr aktuell. Aufgrund seiner ausgezeichneten Leistung wurde er während 2 Jahren Assistent an der ETH und unterrichtete parallel für einige Stunden am Abend Technikum Juventus. Obwohl er kein pädagogisches Diplom besass, nahm ihm das niemand übel. Als Naturtalent und wegen seinem Fachwissen wurde er 1964 zum Professor für Mathematik, Physik und Informatik ernannt: Eine Berufung, einen Beruf, den er mit vollem Einsatz und ständiger Anpassung an die neuen zeitlichen und gesellschaftlichen Veränderungen ausübte. Seine Unterrichtsform kam bei den Studenten an, obwohl die Forderungen oft an die Grenzen gingen. Vor allem nicht mathematisch orientierte Studenten haben deshalb bei der Direktion um Nachsicht gebeten. Der Staatsrat hat ihn in verschiedene Kommissionen gewählt, unter anderem in die Kommission zur Einführung der Informatik in der Schule. Diese hat er wesentlich mitgeprägt.
In seiner 33jährigen Tätigkeit zählten für Professor Grichting nur die Wissensvermittlung und die für das spätere Leben zu setzenden Akzente der Schüler: «Er appellierte an das Beste, das in jedem steckte» – wie Dag Hammarskjöld formuliert hat.
Sein Wissensdurst war aber bei weitem noch nicht gestillt. Von 1965-1976 absolvierte er ein berufsbegleitendes Studium in Nationalökonomie an der Universität Freiburg und schloss dieses mit der Dissertation: «Die Skalenerträge und deren theoretische und empirische Aspekte» ab: Eine Arbeit, die auch heute noch in Betrieben als Grundlage miteinbezogen wird, wenn es darum geht, die möglichen Ursachen bei steigenden und fallenden Skalenerträgen in der Güterproduktion wegen ihrer produktions- und kostentheoretischen Bedeutung zu berücksichtigen. Alois Grichting wurde mit «Summa cum Laude» zum Dr. rer. pol. promoviert. Sein Sonderstudium am Sozialen Seminar Zürich war nur eine erhoffte Zugabe. Und nun zum Dritten:
Die Seiten seiner speziellen Fähigkeiten, sein Enthusiasmus, seine Hingabe und Neigung zu Kultur, Musik, Theater, Literatur etc., habe ich noch gar nicht erst aufgeschlagen. Seiner klassisch-humanistischen Grundeinstellung hat er die Treue gehalten. Das «Discendo discimus» (Durch Lehren lernen wir) praktiziert er täglich. Man fragt sich immer wieder, wo entspringt diese Quelle der nie versiegenden Inspiration?
Von 1979-1997 / 18 Jahre warst du freiwilliger kirchlicher Informator des Bistums Sitten und hast denjenigen, die dich als Priester sahen, etwas zurückgegeben. Du warst 30 Jahre Präsident des Vortragsvereins und hast jeweils ranghohe Gäste aus Kultur und Wirtschaft als Referenten geholt. Du warst Rotary Governor des Distrikts 1990 Westschweiz mit 71 Clubs. Du warst und bist seit mehr als 40 Jahren Mitglied der Astronomischen Gesellschaft. Als Gründungsmitglied hast du mich als Präsident der Loterie Romande erfolgreich um einen Beitrag für eine neue Sternwarte angefragt. Du bist Mitglied der internationalen Goethe Gesellschaft, deines Lieblingsdichters.
Du moderiertest sieben Jahre die religiösen Sendungen im Radio Rottu, hast für viele Gemeinden Chroniken verfasst und am Historischen Lexikon der Schweiz mitgearbeitet. Über 500 Radiosendungen hast du moderiert, Biografien (Louis Carlen etc.) und mehr als 10 000 Zeitungsartikel und literarische Texte verfasst. Eine regelmässige Schrift, die alljährlich Geschehenes dokumentiert, Landwirtschaft, Kultur, ja über alles berichtet, was der Mensch macht: Das ist das «Walliser Jahrbuch», das seit 1932 (Domherr Werlen) erscheint. Seit 1982 in der Redaktion, hast du den Verein für das Walliser Jahrbuch auch von 1995-2003 präsidiert und dann 17 Jahre redigiert. Vergessen wir alle anderen Schriften und kommen zu deinem Hauptwerk «Wallisertitschi Weerter», 2 Bände, der erste von 1998 wurde schon mehrmals nachgedruckt und der zweite im Jahr 2022. Diese Werke brachten dir auch lobenswerte Titel wie: «Der Walliser Mundartpapst wird 90» (Ich wagte anfänglich lediglich bis zur Kardinalswürde vorauszusehen).
Du warst ein eifriger Besucher von klassischer Musik und hast auch eine Weiterbildung an der Uni Bern absolviert, so dass du befugt warst, klassische Musik, wie z.B. dein Lieblingsstück das «Flötenquartett in D-dur», «Eine kleine Nachtmusik» von Mozart oder das «Wohltemperierte Klavier», «Toccata und Fuge in d-Moll», das bekannteste Orgelwerk von Bach, zu kommentieren.
Wenn Alois an einem Anlass mit seinem schwarzen Notizbüchlein und dem umgehängten Fotoapparat auftauchte, dann wussten alle, dass in den kommenden Tagen im WB eine interessante, fachkundige und verständliche Beurteilung erscheinen wird, wie z.B. zum Bieler Stadttheater «Viva La Mamma»: «Das Sängerinnen- und Sängerensemble der Soloklasse gestaltete diese Musik auf hohem Niveau und gab ihr auch einen packenden, schauspielerischen Hintergrund. Wir hörten nicht nur die äusserst variationsreiche Stimme von «Mamma» Michele Govi, sondern auch herrliche Koloraturen und überhaupt Belcanto der schönen Art». (Auszug WB 21.10.2014)
In all seinen Beurteilungen hielt er es mit dem «Nathan dem Weisen» von Lessing, nämlich an Moral, Nachsicht, Toleranz, Menschlichkeit, Emotionen und Gefühle. War für den Verleger Mengis das Buch «Zermatt Bergparadies» das schönste, so ist für uns «Agarn einst und heute» von 1992 das wichtigste Geschichtsbuch aller Zeiten. Unzählige Stunden des Recherchierens, Quellensuche, Protokolle etc. ausfindig machen und all das 1992 in eine allgemeinverständliche Fassung auf 471 Seiten der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, war ein Herkulesarbeit. Bereits zu diesem Zeitpunkt hättest du den Kulturpreis reichlich verdient. Du hast dich in deinem Nachwort bei Agarn bedankt für die Geborgenheit, Erziehung, Zuversicht und Freundschaft vieler Dorfbewohner. Wir retournieren diesen Dank mit Goethe «Wie oft können wir jemandem begegnen, dem wir Dank schuldig sind, ohne daran zu denken». Du sagst zu Recht: «Ein Volk, das seine Geschichte vergisst, ist wie Mensch, der sein Gedächtnis verloren hat». Auch die letzte Festschrift «100 Jahre Pfarrei – 100 Jahre Cäcilienverein» sind eine Fleissarbeit wie das Sprichwort sagt: «Arbeit und Fleiss sind die Flügel, sie führen über Strom und Hügel». Nicht vergessen; du warst Gründungsmitglied unserer Stiftung «Ischärs Agaru». Du hast schon grosse Kulturpreise erhalten (10. Oberwalliser Kulturpreis vom Rottenbund – Heute geht es bescheidener zu!)
Lieber Kulturpreisträger, du hast gesagt: «Ich habe keine Angst vor dem Tod, nur Angst davor, nicht alles beenden zu können.» Du bist 90 Jahre in Weiterbildung und ich nehme an, du hast die gleiche Philosophie wie der hl. Papst Johannes der XXIII., als man ihn fragte, ob er am Vormittag oder am Nachmittag sterben wolle. Seine Antwort war: am Nachmittag, dann könne er am Vormittag noch etwas lernen.
Alois, wie sagt Goethe:  «Musst stets die Gegenwart geniessen und die Zukunft Gott überlassen». Fahr so fort wie Horaz es gesagt hat: «Der Schreiber setzt seine Seele ins Tintenfass».
Ich schliesse mit deiner tollen Kolumne Übrigens, die du seit 1982 schreibst: Übrigens: Lorbeeren fallen niemanden in den Schoss, sie erfordern Einsatz für das ganze Leben. Mit 91 Jahren gleichen die Hoffnungen den Wolken und machen den Sonnenblicken Platz. «Arbeit ist die Bedingung des Lebens, das Ziel; Weisheit und Glückseligkeit ist der Preis», sagt Schiller.
Übrigens: Bei dir war Schreiben weder Ruhmessucht noch Eitelkeit, sondern Leidenschaft, dem Leser Impulse und Anreize zum Nachdenken anzubieten. Übrigens: die Ehrung, die wir nun vornehmen können, ist ob deiner vielen Werke oberflächlich und bescheiden, jedoch kommt sie von Herzen. Übrigens: Handelt auch das letzte vom 11.1.2024 über den Hirtenbub von Agarn. Wir wünschen Dir Freude, die nach innen wirkt und Erfüllung schenkt. Wir erhoffen für dich Gesundheit, Gottessegen und was Aristoteles unter «Geist» verstand: «Die Kraft der Seele».
Dank gefällt Gott und den Menschen. Diesen hast du mit dem heutigen Kulturpreis redlich verdient. Zum Beschluss Goethes Betrachtung: «Auch auf Beifall darfst du hoffen, denn er weiss, wo du’s getroffen».  
Wiär Agarnär dankä.  

 


Kulturpreis 2023 Agarn an Dr. Alois Grichting: Videos der Kulturpreis-Verleihung: Dr. Thomas J. Grichting

Titelfotos Videos:

  • Gemeindevizepäsident Martin Plaschy 
  • Alt-Landeshauptmann und Nationalrat Herbert Dirren (Laudatio)
  • Dr. Alois Grichting (Dank)    
  • Preisübergabe: Alte Freunde 

 

Kulturpreis 2023 Agarn an Dr. Alois Grichting: Fotos: Dr. Thomas J. Grichting

Fotolegenden von oben:

  • Ansprache Dr. Alois Grichting
  • Gemeindepräsident Thomas Matter
  • Gemeindevizepräsident Martin Plaschy
  • Alt-Landeshauptmann und Nationalrat Herbert Dirren
  • Kulturpreis 2023: Dokument
  • Kulturpreis 2023 : Dokument
  • Preisübergabe: Martin Plaschy, Alois Grichting
  • Preisübergabe, v.l.: Thomas Matter, Alois Grichting, Herbert Dirren, Martin Plaschy
  • Jungbürger / Jungbürgerinnen, Gemeinderäte und – 1. Reihe v.l.: Thomas Matter, Alois Grichting, Herbert Dirren
  • Jungbürger / Jungbürgerinnen und – 1.Reihe v.l.: Alois Grichting, Herbert Dirren
  • Alois Grichting, Jahrgängerin Marina Matter-Lötscher
  • Agape 1: Restaurant Central, Agarn
  • Agape 2: Restaurant Central, Agarn
  • Jungbürger/Jungbürgerinnen
  • Jungbürgerin Valérie Dirren spricht
  • Jungbürgerin Valérie Dirren erhält Bürgerurkunde von Präsident Thomas Matter

 

Dankesrede des Kulturpreisträgers Dr. Alois Grichting (Kurzfassung)

Mehrzweckhalle Agarn, 14.01.2024 

Sehr geehrte Pastoralassistentin, sehr geehrter Herr Gemeindepräsident, sehr geehrte Gemeinderäte, sehr geehrter Herr Burgermeister, sehr geehrter Alt-Landeshauptmann und Nationalrat Herbert Dirren, sehr geehrte, liebe Agarnerinnen und Agarner, meine Damen und Herren.

Mit grosser Freude und Dankbarkeit durfte ich heute den Kulturpreis 2023 der Gemeinde Agarn empfangen. Ich möchte mich dafür sehr herzlich bedanken beim  Gemeinderat mit Präsident Thomas Matter, bei Kultur-Ressortchef Martin Plaschy und den übrigen Ratsmitgliedern. Herzlichen Dank! Dieser richtet sich dann besonders an Alt-Landeshauptmann und Nationalrat Herbert Dirren, der für mich so viele freundschaftliche Worte gefunden hat. Natürlich hat er mich etwas hoch herausgehoben, wenn er erwähnte, dass eine Zeitung mich «Mundart-Papst» nannte. Nun, das Papst-Amt werde ich nicht anstreben. Sowas muss auf später verschoben werden. Ich danke aber dennoch Herbert sehr herzlich für die Recherche, die er für meine schlichte Person aus dem Länggässi geleistet hat. Danke, lieber Herbert!

Ich empfinde heute sehr viele Erinnerungen an Agarn, wo ich meine Jugendzeit verleben durfte. Ich bin hier in der Krisenzeit der Dreissiger Jahre, vor 90 Jahren, im Hause neben dem «Restaurant Kreuz» -- «ds Pantisch», Restaurant Albert Mathieu --- geboren. Es war dies das Haus, in dem später die Familie Mathias Dirren und natürlich auch Herbert lebten. Vor dem Haus hatte es damals einen Kegelladen. Bevor mein Vater das 1934 fertig gewordene kleine Chalet am Länggässi bezog, mag es auf dieser Kegelbahn oft laut zugegangen sein. Offenbar hatte ich aber bereits einen guten Schlaf und nahm so keinen Schaden mit ins besagte Länggässi, wo ich dann später mit den Jahrgängerinnen Marina Lötscher, Frieda Tscherry, mit Jahrgänger Alex Schnydrig usw. spielte, wo wir damals Schlitten, auf den umliegenden Wiesen bis auf den «Panti-Hubil» auf alten Fassdauben gar Ski fahren konnten, wo wir auch die Ziegenherde der Gemeinde, den «Schuppu» mit dem Agarner Original Sigi bergwärts ziehen sahen. Wir holten später auch Holzäste im Wald oberhalb der «Aaltu»-Wasserleitung und oberhalb des «Rubätschi-Biäl» - Hubels und erhielten von Förster Tscherrig eine Mahnung, dann auch eine Busse. Wir hörten, wenn Überschwemmungsgefahr beim Emsbach oder der «Märätschu» bestand, die Glocken «chleichu» und sahen, wie die Männer mit Schaufel sich zur Abwehr zum Bach aufmachten.    

Dann besuchten wir die Schule, die 1. Klasse im alten Konsumlokal-Oberstock bei Lehrerin Gertrud Zenhäusern, dann bei Albert Matter und schliesslich im alten Schulhaus an der Kreuzgasse bei Johann Kalbermatter. Beide Herren, Matter und Kalbermatter hatten die Matura als ehemalige mögliche Priesteramtskandidaten absolviert, wurden dann aber Lehrer in Agarn und gaben vorzügliche Schule. Von Lehrer Kalbermatter hörte ich erstmals und dann erst wieder an der ETH in Zürich von der Guldinschen Regel, mit der man Volumina von Rotationskörpern berechnen kann. Es hatte im Schulzimmer ein Harmonium, das unser Singen begleitete. Wir spielten Weihnachtstheater, in dem ich als ein Knabe «Toneli» beim Christbaumverkaufen auf der Strasse in der Kälte schliesslich sogar starb. Waren das Zeiten! Wir lernten die «Kaniisi-Fragen» auswendig, gingen in Zweierkolonne vom Schulhaus an der Kreuzgasse zur Kirche in die Messe und in die Andachten…

Die Freundschaften mit meinen Jahrgängern und Jahrgängerinnen Frieda Tscherry, Marina Matter, Erna Mathieu, Alice Theler, Adele Lötscher, Viktorine Grichting, Norbert Dumoulin, Charly Jerjen, Alex Schnydrig, Hans Josef Mathieu und einigen weiteren, die leider früh verstarben, haben sehr lange gehalten. Aus unseren Jahrgangstreffen erhielt ich immer wieder Nachricht, was sich in Agarn alles ereigne.

Das wurde für mich, der ich nach der 6. Primarklasse mit etwa 12 Jahren in noch kurzen Hosen von Vetter Anton Clavioz ins Kollegium Brig gebracht wurde, sehr wichtig. Die wichtige Entscheidung zu diesem Schritt erfolgte durch Pfarrer Xaver Noti, der meinte, ich könnte dann eines Tages als Priester der Gemeinschaft nützlich sein. Ich bin Pfarrer Noti bis heute sehr dankbar. Der Eintritt ins Kollegium hat dann schliesslich mein weiteres Leben geprägt. Ich wurde später gar Lehrer an dieser Schule. Zum Priestertum konnte ich mich aber nicht entschliessen.  

Nun, was weiter mit mir geschah, hat Freund Herbert Dirren bereits alles gesagt.  Viele Jahrzehnte war ich dann von Agarn entfernt: Zuerst in Brig, dann in Zürich und schliesslich wieder in Glis / Brig. Über meine Eltern und Geschwister, über Freunde und die Jahrgängerinnen und Jahrgänger blieb ich, wie gesagt, Agarn nahe – am Kollegium auch benachrichtigt etwa von Studierenden aus Agarn. Das war auch nötig, weil ich dann über Agarn zu schreiben beginnen sollte.  

Es erschien 1985 die kleine Schrift «Unser Agarn» (84 Seiten). Darin hatte ich eine erste Gelegenheit, eine erste Näherung an die Geschichte Agarns aufzuarbeiten:  Die Entwicklungen der Gemeinde, des Rektorates, der Pfarrei und der Burgerschaft mit deren Ablösung vom grossen Leuk. Da lernte ich, dass Franz Rubin unser erster Präsident, Ignaz Hasler unser erster Rektor, Dr. Albert Julen unser erster Pfarrer, Herbert Dirren unser erster Landeshauptmann und Nationalrat war, dann studierte ich die beiden grossen Brände, die Geschichte von Konsumverein, Raiffeisenkasse, die Entwicklung von Landwirtschaft, Wald, Alpe «Märitschi» und der vielen Vereine wie Tambouren- und Pfeiffer, Kirchenchor, Musikgesellschaft Rhodania, Skiklub, Turnverein, Fussballclub Agarn usw., die inzwischen ihre Geschichte weiter geschrieben haben.
 

All dies konnte 1992 im Buch «Agarn einst und heute» (471 Seiten) verdichtet und damals noch in Schwarz / Weiss illustriert werden. Markus Roten half mir dabei, die Grenzen von Agarn zu bestimmen – die damals gar an einer «Schleeschtüüdu» in der Nähe von Oberems bezeichnet war. Agarner mit Pfiff wurden benannt, weitere Vereine, Wappen, sehr viele Personen, die Richter, Gemeinderäte, Gemeindepräsidenten, Kirchenräte, Pfarrer, Grossräte usw.  Sicher haben Sie, liebe Anwesende, dies alles im Buch selbst gelesen.
 

Ich will auch den Mund nicht all zu voll nehmen: Die Geschichte ist nämlich eine Momentaufnahme und muss deshalb auch stets korrigiert werden. Ich bin froh, dass das Buch «Agarn einst und heute» als geschichtliche Grundlage gelten kann für weitere Geschichte über unser Dorf, wie sie in Vereinsgeschichten und weiteren Büchern steht – wie dies z.B. auch gerade im Buch «100 Jahre Pfarrei und Kirchenchor Agarn» (213 Seiten) oder in den von mir verfassten Broschüren über die Turnvereinsgeschichte oder Konsumvereinsgeschichte geschehen ist. In diesem Sinne freue ich mich auch sehr über die Bücher, die unser German Lötscher zu Agarn geschrieben hat. Sie sind geschmackvoll farbig und sichern Daten über Agarn, die sonst verloren gingen. Auch die fortlaufende Geschichtsschreibung, wie sie in der Dorfschrift «Där Agarnär» erfolgt, ist äusserst wertvoll. In Dr. Beat Locher besitzt unser Dorf ferner einen echten Historiker, der auch bereits zu schreiben begonnen hat und hoffentlich entsprechend weiter zum Einsatz kommen wird. Die Geschichtsschreibung Agarn ist also auf bestem Wege.  

Ich habe meinerseits meine recht zahlreichen Zeitungsartikel über das Dorf Agarn (rund 200 Artikel), die über wichtige Ereignisse des Dorfes berichteten, auf meiner Internetseite www.aloisgrichting.ch festgehalten. Dort hat es neben dem Zeitungsarchiv auch ein Bildarchiv, auf dem in 50 Jahren entstandene Fotoarbeiten für den Walliser Boten, aber auch weitere Fotos zugänglich sind – vorläufig noch durch ein Verzeichnis. Digitalisierung steht noch an. Agarn erscheint dort mit etwa 110 Foto-Reportagen. All dies wird ergänzt durch ein Tonarchiv, aus dem rund 650 Aufnahmen gehört werden können, darunter rund 30 über Agarn. Die Internetseite enthält auch persönliche Daten über mich selbst und meine Schriften. Beide Archive, Bild- und Tonarchiv, befinden sich in Martinach. Sie sind aber über meine Homepage zugänglich.
Dokumente, die beim Verfassen von Büchern in Mengen anfallen, darunter auch sehr viele physische, d.h. papierene Fotos, habe ich anderseits in das Staatsarchiv in Sitten übergeben können, wo sie für die Öffentlichkeit bereitgehalten, professionell archiviert, gesichert und von jedermann genutzt werden können. Meine lieben Schwestern Clara Zurbriggen und Aloisia Plaschy, aber auch mein Sohn Dr. Thomas J. Grichting und seine Familie haben mir für die Numerierung und Erfassung dieser Dokumente viele geholfen. Es hat mich übrigens sehr gefreut, dass die Gemeinde Agarn seit kurzem ein professionell gestaltetes Archiv aufweist und so auch die geschichtliche Substanz des Dorfes sicherstellt.

Abschliessend möchte ich danken: Für die Erziehung, die ich hier in Agarn genoss, die mich hier Wurzeln schlagen liess – für die guten Leute, die Freundinnen und Freunde, die ich hier fand -- für die heutige Ehrung durch den Kulturpreis der Gemeinde – für die Laudatio durch alt Landeshauptmann, Nationalrat und Oberst Herbert Dirren, mit dem ich verwandt bin. Herbert, grossen Dank! Ich danke der Gemeinde, dass die Gräber meiner Eltern hier sein können. Ich danke den Gemeinderäten, dem Burgermeister und den Burgerräten und der Pfarrei und wünsche weitere gute Entwicklung. Mit meinen Beiträgen zur Geschichte von Agarn konnte ich zeigen, dass viele Dinge und Entscheidungen sehr gut, andere problematisch abgelaufen sind. Ich denke etwa an das Herauspickeln der grossen Farbbilder aus dem Chor der Kirche und ihren Ersatz durch Fenster oder an die Entfernung der alten marmorenen Kreuzwegfassungen dieser Kirche und deren Ersatz durch Holzrahmen. Sie sind Beispiele für Vorgänge, die vielleicht in ferner Zukunft korrigiert werden können. Dazu und bei allen Entscheidungen und Werken einer Gemeinschaft braucht es Zusammenarbeit und Zusammenhalten, wie es in der Antike die beiden grossen Historiker Thukydides und Sallust sagten: Thukydides: «Die GESCHICHTE IST EIN WERT FÜR IMMER»; Sallust: «DURCH EINTRACHT, ZUSAMMENHALTEN, WACHSEN DIE KLEINSTEN DINGE, DURCH ZWIETRACHT FALLEN DIE GRÖSSTEN AUSEINANDER».
 

Für mich mit meinen 90 Jahren ist das Ende in Sicht. Ich kenne leider viele junge Leute im Dorfe nicht mehr, sondern eher viele Agarnerinnen und Agarner auf dem Friedhof. Ich werde aber bis zum letzten Augenblick an Agarn denken, wo diese alle leben und ruhen. Sie, meine Damen und Herren nehme ich, wenn ich gehen muss, im Herzen mit. Ich danke Ihnen.
 

 

Kulturpreis 2023 an Dr. Alois Grichting: Bericht Walliser Bote

Neujahrsfeier / Neujahrsempfang mit Jungbürgerfeier Agarn ehrt Alois Grichting 

Agarn:  „Optimismus ist der Weg zum Erfolg“. Im Sinne dieses geflügelten Wortes hielt die Gemeinde Agarn am vergangenen Sonntag ihre Neujahrs- und Jungbürgerfeier ab. Neun junge Agarnerinnen und Agarner erhielten den Jungbürgerbrief. Alois Grichting wurde für sein mannigfaltiges Lebenswerk geehrt.
 

Nach der rassigen Begrüssung durch die Musikgesellschaft Rhodania unter der Leitung des neuen Dirigenten Louis Karafé hiess Gemeindepräsident Thomas Matter die zahlreich anwesende Bevölkerung im Namen der Verwaltung in der Mehrzweckhalle von Agarn herzlich willkommen und übermittelte die besten Wünsche zum Neuen Jahr.

In seiner Ansprache zum Neuen Jahr hielt er Rückblick, machte eine Bestandsaufnahme und blickte in die Zukunft. Das Jahr 2024 wird an die Gemeinde Agarn zahlreiche Herausforderungen stellen und mannigfaltige Aufgaben bereithalten. Treffend regte Präsident Matter Jung und Alt an, sich nicht von Rückschlägen und Schwierigkeiten entmutigen zu lassen, sondern sich stets mit Optimismus mutig neue Ziele zu setzen und aktiv in die Zukunft zu schreiten.  
 

Neun Jungbürgerinnen und Jungbürger erhielten den Bürgerbrief. Gleich zu Beginn ihrer vollen Mündigkeit bewiesen sie Engagement und Kreativität. In einem selbstproduzierten Kurzfilm stellten sie sich überraschend locker und ungezwungen vor. Im Namen der ganzen Gemeinde wünschte Gemeindepräsident Matter ihnen für die zahlreich auf sie zukommenden Aufgaben und Pflichten alles Gute.

Der gebürtige Agarner Dr. Alois Grichting wurde für sein immenses kulturelles, historisches und literarisches Schaffen über etliche Jahrzehnte hinweg mit dem Kulturpreis für sein Lebenswerk und die «Agarn geleisteten Dienste» geehrt. Nach einer fesselnden Laudatio von Altlandeshauptmann und Altnationalrat Herbert Dirren nahm der 90-jährige und in seinem Tatendrang ungebrochene Alois Grichting sichtlich gerührt den Kulturpreis entgegen.

Weiter geehrt wurden Tizian Kalbermatten, Levin und Simon Andenmatten für ihren Schweizermeistertitel mit dem Team Valais Eishockey U 20 Top, Noah Lauber für seinen Schweizermeistertitel im Trial und Marco Amacker als Kampfrichter der höchsten nationalen Stufe im Schwingen.

Nach dem Aperitif und einem kleinen Imbiss bedankte sich der gesamte Gemeinderat bei der Bevölkerung für das rege Interesse.

Traditionellerweise sangen alle anwesenden gemeinsam als Schlusspunkt hinter einer gelungenen Feier das «Agarnerlied».


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